Friday, November 25, 2011

Sprache, Stimme und Stimmbildung

Sprache, Stimme und Stimmbildung.
Vortrag
gehalten in der „Vereinigung der Reserve- und Landwehroffiziere des Landwehrbezirks Karlsruhe"
von
Dr. med. O. Schwidop
Oberarzt d. L.
Karlsruhe.
Buchdruckerei J-J. Reiff.
1898.

Die Sprache, jenes vornehmste Mittel geistigen Verkehrs, setzt sich aus den Sprachelementen, den einzelnen Lauten zusammen, welche wir als Vokale und Konsonanten unterscheiden. Die Vokale sind Klänge, die Konsonanten Geräusche. Erzeugt wird die Sprache in Rachen, Mund- und Nasenhöhle. Die hier entstehenden Vokale und Konsonanten bilden die Flüstersprache ; ist diese von den Klängen der Stimme begleitet, so entsteht die gewöhnliche laute Sprache. Sowohl die Flüstersprache als auch die laute Sprache werden um so vollkommener sein können, je vollkommener die an der Bildung beteiligten Organe sind, sodass wir also eine tadellose vordere Zahnreihe, eine gut bewegliche Zunge und Gaumen, eine freie Nase als das erste Erfordernis hinstellen müssen.
Unter Stimme verstehen wir den bei der Vibration der Stimmbänder durch die anblasende ausströmende Luft der Lungen entstehenden Laut, bezüglich dessen sich nach der Stärke des Luftstroms und der Spannung der Stimmbänder richtenden Modulationen. Die Erzeugung der Stimme ist vollständig unabhängig von den oberhalb der Stimm-bänder gelegenen Gebilden, dem der Erzeugung der Sprache dienenden Ansatzrohr, wie Versuche an ausgeschnittenen Kehlköpfen gezeigt haben. — Jedes lebende Wesen höherer Ordnung besitzt eine Stimme, einen Laut, durch dessen Modulation es alle Empfindungen angenehmer und unangenehmer Art der Aussenwelt kundzugeben imstande ist. Hunger und Durst, Schmerz und Freude, Lust und Unlust, Zorn, Hass und Zutrauen, alles spiegelt sich in der Modulation der Stimme des Tieres getreulich wieder. Ganz dasselbe finden wir beim Menschen in drei verschiedenen Zuständen, bei dem Stummen, bezüglich Taubstummen, dem Idioten und dem Kinde.

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