Monday, October 31, 2011

Flämische Ortsnamen in der DDR

Von Waterloo nach Sternebeck
Wochenpost Nr 04/1988, S. 8
Flämische Ortsnamen in der DDR
Der Landschaftsname Fläming ist ebenso flämischer Herkunft wie der recht häufige Familienname Flemming oder Fleming. Belgien in der DDR— ein interessantes namenkundliches Thema.

”Waterloo liegt in Belgien“ lautet der Titel eines Büchleins von Waldtraut Lewin. Doch Waterloo liegt nicht nur in Belgien, sondern ebenso in England; in der Sowjetunion, in den USA, in Australien... und in der DDR. Mit dem Schlachtenruhm fand auch der Name Verbreitung.
Waterloo/DDR ist ein klitzekleiner Wohn platz in der Westprignitz. Gemeinde Blüthen, Kreis Perleberg, Bezirk Schwerin — so lautet die Verwaltungshierarchie. Die 85 Einwohner fühlen sich in ihrer ländlichen.Minisiedlung offensichtlich wohl. Direktor Seier vom Kreis museum Perleberg hat herausgefunden, daß der fiämische Name auf den Grafen Voss von Stavenow zurückgeht, der 1815 an der Schlacht bei Waterloo teilnahm.
In Belgien liegt Waterloo 100 Kilometer östlich, in der DDR 33 Kilometer westlich von Brügge. Was hat Brügge in der DDR zu suchen? Nachdem die alten Germanen das Land östlich von Elbe und Saale verlassen hatten, siedelten dort slawische Stämpte. Im 11. bis 13. Jahrhundert gehörten dann jene Gebiete zum Wirkungsfeld der deutschen Ostexpansion. Deutsche Siedler und nichtdeutsche strömten ins Land. Unter den Zuwanderern befanden sich erstaunlich viele Flamen. Sie verließen ihre Heimat, da in den neuen Gebieten zunächst ein geringerer Ausbeutungsdruck herrschte. Die hier erhältlichen Ländereien waren größer als die ererbten, neue Märkte boten sich an. Natürlich brachten die Leute aus Flandern und Brabant ihre Sprache mit, ihre Sitten und Bräuche, ihre vielfältigen Fähigkeiten... und ihre Ortsnamen.
Wenn der Einwanderertrupp mehrheitlich aus Lichtervelde/Westflandern und Umgebung stammte, was lag näher, als der neuangelegten Siedlung den altvertrauten Namen zu verleihen. Manche Ortsnamen wanderten etappenweise nach Osten. So finden wir ein Lichterfelde in der Wische, eins im Fläming, eins im Teltow — heute zu Berlin (West) gehörend —, eins an der Grenze zwischen Barnim und Uckermark. Und auf ähnliche Weise geriet unser Brügge in die Prignitz. Prignitz-Brügge: Im Gegensatz zu Prignitz-Waterloo ein richtiges Dorf mit eigener Bahnstation und neugotischer Kirche — allerdings nicht so bedeutend, daß die belgischen Brügger neidisch werden müßten!
Flandrischer Herkunft sind höchstwahrscheinlich auch die eingedeutschten Städtenamen Brück (Brügge), Genthin (Gentinnes) und Kemberg (Kemerijk). Um das Oderbruchdorf Altlewin, anno 1375 im Landbuch der Mark Brandenburg als Louwen bezeichnet, rankt sich die Geschichte, daß es seine Benennung der brabantischen Stadt Löwen verdanke. Sternebeck, 30 Kilometer östlich Berlins, wurde im 13. oder 14. Jahrhundert von einer Adelsfamilie gegründet. Die von Sternebeck stammten aus Sterrebeek (sterre = Stern) bei Brüssel. Beispiele, die sich fortsetzen ließen.
Bernd Nemirz

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